Die Zukünfte des Wohnens.

 

Wer ein Gebäude baut, baut vielleicht nicht für die Ewigkeit, aber doch für viele Jahrzehnte. Es ist also für die Immobilienwirtschaft immens wichtig, sich damit zu beschäftigen, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt – und wie künftige Anforderungen an Wohn- und Bürogebäude definiert werden. In unserer neuen Serie fragen wir deshalb: „Wie wollen wir zukünftig leben und arbeiten?“ In der ersten Folge werfen wir einige Schlaglichter auf die Zukunft, oder besser: die Zukünfte des Wohnens.

 

Das Konzept der Privatwohnung als „trautes Heim“ und Rückzugsort für die Familie hat seinen Ursprung im aufkommenden Bürgertum des 19. Jahrhunderts. Seither hat sich grundlegend gar nicht so viel verändert. Sicher: Ende des 20. Jahrhunderts kamen Wohngemeinschaften in Mode, aber der Normalfall ist noch immer die Wohnung für die Familie oder auch für Singles mit mehreren Zimmern, Küche, Diele, Bad …

 

In Zeiten von zunehmender Verstädterung, knapperem Wohnraum, Digitalisierung und wachsendem Klimabewusstsein kommt aber auch das Wohnen in Bewegung. Neue Konzepte für das Wohnen werden diskutiert und teilweise auch schon praktiziert. Die Trends weisen nicht immer in die gleiche Richtung, zuweilen gibt es sogar Zielkonflikte. Auch die Nachverdichtung, also das Nutzen von Baulücken zur Schaffung von Wohnraum, läuft nicht immer konfliktfrei ab – in Städten wie Berlin wird die „heranrückende Wohnbebauung“ zur Bedrohung z. B. für Musikclubs und andere Kreativorte, die diese Städte erst attraktiv gemacht haben. Selbst zur viel zitierten „Verstädterung“ gibt es bereits Gegentrends, etwa in Berlin, wo für viele die Mieten zu teuer und das City-Leben zu trubelig wird: Zwar sorgen „junge Leute aus dem Ausland (…) für Wachstum“, aber „seit drei Jahren ziehen mehr Deutsche aus der Hauptstadt heraus als hinein“, schreibt der SPIEGEL. Das eröffnet Chancen für die Städte im Umland, die mit geringeren Mieten und weiteren Vorzügen wie mehr Grünflächen punkten können. „Mehr Natur“ ist in jedem Fall etwas, das sich auch Städter wünschen – aus gutem Grund gehören Grünflächen oder begrünte Dächer in vielen neu entstehenden Wohnquartieren zum neuen Standard. „Wie wollen wir morgen leben?“, fragt auch die Internationale Gartenausstellung 2027 im Ruhrgebiet, wo domoplan einst gegründet wurde – eine Antwort wird sicher sein: mit vielen Gärten und Parks. Die Flächen hierfür sind im Ruhrgebiet nach dem Ende des Bergbaus und dem Abschied mancher Industriebetriebe vorhanden.

 

Zentrale Herausforderung wird es jedoch sein, den knapper werdenden Wohnraum in den wachsenden Städten besser zu nutzen, durch die schon erwähnte Verdichtung, durch Aufstockung und generell durch mehr Geschosse und nicht zuletzt auch durch effizientere Grundrisse. Schon jetzt geht in den Metropolen die durchschnittliche Wohnfläche zurück (besagt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft) – wegen der teuren Mieten, aber auch, weil sich Menschen bewusst reduzieren wollen und es auch können. Treiber hierfür ist nicht zuletzt die Digitalisierung: Physische Güter werden immer mehr durch digitale Güter ersetzt – entsprechend weniger Wohnraum wird benötigt. Die Extremform der Reduktion ist „Mikrowohnen“ – in Mini-Apartments oder Mini-Häusern.

 

„Gutes Wohnen, das sich durch Flexibilität, komplexe Raumstrukturen und Großzügigkeit auszeichnet, ist auch auf kleiner Fläche in konzentrierter Form realisierbar. Gebraucht werden nutzungsoffene, vielschichtige Raumgefüge – Möglichkeitsräume“, schreibt Gudrun Sack von NÄGELIARCHITEKTEN, Berlin, in ihrem Beitrag zur Architekturausstellung „Neue Standards“. Mit flexiblen Multifunktionsmöbeln ausgestattete „Tiny Houses“ bieten auf wenigen Quadratmetern (fast) allen Komfort und passen in kleinste Baulücken oder auch Gärten. Mit Rädern ausgestattet, erlauben sie dem „modernen Nomaden“ (Zukunftsinstitut) sogar, den Wohnort nach Belieben zu wechseln.

 

Einig sind sich viele Fachleute darin, dass die Wohnung der Zukunft möglichst flexibel sein sollte, denn Lebenssituationen ändern sich, und damit auch die Ansprüche an das Wohnen. Zukunftsfähige Wohnquartiere sollten „nicht für die Ewigkeit geplant, sondern flexibel, anpassbar und nachhaltig“ sein, fordert Architekt Dirk Schubert im SPIEGEL. Um „Wohnraum individuell ausbauen“ zu können, sei eine „Trennung von Gebäude- und Wohnungsstruktur“ nötig, konkretisieren Henri Praeger und Jana Richter („Neue Standards“). Zu berücksichtigen ist auch, dass Arbeit zurückkehrt in die Wohnquartiere, die dadurch wieder durchmischter werden – in Form von bestens vernetzten Home Offices, Coworking Spaces oder auch Gewerbeeinheiten.

 

Wie auch immer die Zukunft des Wohnens aussehen mag, eine Empfehlung hat Gudrun Sack von NÄGELIARCHITEKTEN parat: „Das Entwerfen des Wohnens muss künftig im Dialog zwischen Bewohnern und Entwerfern geschehen.“

 

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