Auf ein langes Leben!

 

Das Ziel ist klar: Bis 2045 soll der Gebäudesektor klimaneutral sein. Eine gewaltige Herausforderung, denn in Deutschland entfallen rund 35 Prozent des Energieverbrauchs und 30 Prozent der Treibhausgase auf den Gebäudesektor. Nachhaltig bauen ist also kein „nice to have“, sondern ein absolutes Muss. Welche Visionen und Ideen gibt es? Und was kann schon jetzt getan werden?

 

Ökologisch, ökonomisch, sozial!

Beim Bauen hängen die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit eng zusammen: Im Vordergrund der Diskussion stehen ökologische Themen wie Natur und Klimaschutz, Ressourcen- und Flächenschonung sowie Energieeffizienz – über allem steht das Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Für Bauherren und Investoren müssen Gebäude aber zugleich langfristig ökonomisch tragfähig sein. Und nicht zuletzt – hier kommt die soziale Dimension ins Spiel – müssen sich potenzielle Mieter und Käufer die Wohn- und Gewerbeimmobilien auch leisten können. Das gilt insbesondere für den Bereich der bezahlbaren Wohnungen, an denen es bekanntlich einen Mangel gibt. Diese Aspekte in Balance zu bringen, wird immer herausfordernder. Denn auf der einen Seite steigen die Anforderungen aus dem politischen Raum – um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, will die Bundesregierung die ökologische Transformation auch im Gebäudesektor beschleunigen. Auf der anderen Seite explodieren Finanzierungs- und Materialkosten und die Zahl der Baugenehmigungen ist zuletzt eingebrochen. Ohne Investitionsanreize und Förderungen wird es kaum möglich sein, die ökologischen Ziele auf ökonomisch und sozial verträgliche Weise zu erreichen.

 

Vorausschauende Planung.

Die wichtigsten Weichen werden schon in der Konzeptions- und Planungsphase gestellt. Dabei gilt es, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes im Blick zu haben. Ein Gebäude ist grundsätzlich umso nachhaltiger, je länger es genutzt werden kann. Das wiederum ist nicht nur eine Frage von Material, Technik und Ausführung: Schon das architektonische Konzept sollte so angelegt sein, dass sich mögliche Nutzungsänderungen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte einfach umsetzen lassen.

 

Sorgfältige Materialauswahl.

Einen großen Einfluss hat die Materialauswahl – rund 70 Prozent (laut Umweltbundesamt) aller Rohstoffe in Deutschland werden vom Bausektor verbaut. Derzeit werden große Mengen etwa von Zement, Beton und Stahl verbraucht, für deren Herstellung viel Energie aufgewendet werden muss. Auch beim Abfallaufkommen ist die Baubranche stark beteiligt. Dieser Abfall aus Rückbauten wird de facto vor allem für den Tief- und Deponiebau recycelt. Eine wichtige Zukunftsaufgabe besteht darin, Recycling für höherwertige Zwecke zu ermöglichen. Noch besser ist es, Abfälle ganz zu vermeiden, indem Materialien und Bauprodukte genutzt werden, die nach einem Rückbau leicht wiederverwendet werden können. Nachhaltige Baustoffe wie Holz, Hanf, Bambus und Lehm erfreuen sich einer immer größeren Nachfrage. Noch in der Entwicklung sind pilzbasierte Baustoffe, mit denen sich biologisch abbaubare Dämmungen, Spanplatten oder Bausteine herstellen lassen. Zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Baukonstruktionen haben Forscherinnen und Forscher der Universität Wuppertal den Urban Mining Index entwickelt, mit dem das eingesetzte Material auf seine Recyclingfähigkeit analysiert wird – damit können Architekten und Bauherren schon bei der Planung den Rückbau beurteilen.

Beim Solar Decathlon Europe 21/22, der im Sommer 2022 in Wuppertal stattfand, experimentierten die internationalen Teams mit ungewöhnlichen Materialien wie Seetang, geschmolzenen Joghurtbechern, zerstoßenem Kachelbruch oder zusammengestückelten Holzresten. Erstmals hatte sich der Wettbewerb auf Ideen für Bestandsbauten konzentriert – schließlich müssen auch bereits existierende Gebäude in Zukunft klimaneutral betrieben und genutzt werden.

 

Intelligente Energiekonzepte.

Und dann ist da natürlich der große Bereich der Energieversorgung und Energienutzung. Auch hier kann die Materialauswahl einen Beitrag leisten: Begrünte Fassaden etwa senken den Energiebedarf, indem sie Gebäude im Sommer kühlen und im Winter die Wärme im Inneren halten. Klar ist: Das Energieversorgungskonzept muss für jeden Standort und jedes Objekt optimal angepasst sein. Durch einen intelligenten Mix aus allen zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energien von Wärmepumpen bis Photovoltaik und Solarthermie in Verbindung mit hocheffektiven Dämmungen können Häuser zu einem Nullenergie- oder sogar Plusenergiehaus werden.

Beim Solar Decathlon Europe 21/22 wurde u.a. auch gezeigt, wie sich Solarmodule ästhetisch in die Architektur einfügen lassen. Das Team RoofKIT des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) trug den Gesamtsieg davon und war auch in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ spitze. Zum einen werden Energiekreisläufe geschlossen, indem die Gebäuderückstände wie Biomüll und Abwasser zur Energie- und Wärmeerzeugung genutzt werden. Zum anderen erntet man Sonnenenergie auf allen möglichen Flächen am Gebäude sowie mit einem Solarbaum im Hinterhof.

Man sieht: Es gibt viele Visionen, Ideen und Möglichkeiten, das Bauen nachhaltiger zu gestalten.